Der flüchtige Moment mit schwarzem Kaffee und Zucker
Gedankenverloren rührst du den Zucker mit dem Löffel um. Die Blasen auf der Kaffeeoberfläche setzen sich in Bewegung, werden schneller, rauschen am sich bildenden Trichterrand vorüber; du schenkst ihnen keine Beachtung. Du hast Zucker in den Porzellanbecher getan, du tust sonst nie Zucker in deinen schwarzen Kaffee. Streichst dein Haar zurück, greifst wieder nach dem Telefon, wischst kurz auf dem Bildschirm herum, ohne Spuren zu hinterlassen. Ich hinterlasse immer Spuren, bei allem, was ich in die Hand nehme, du nie. Du lächelst, obwohl du gar nicht wissen kannst, dass du meinen Blick eingefangen hast. Zweifach hast du deine Beine ineinander verknoten, die Arme dich am Körper, blickst du schließlich hinauf, aus dem Fenster hinaus, siehst dir die vorbei hastenden Menschen an, die Konsumenten. Ich weiß gar nicht, wie ich in dieses Café gekommen bin, ein Geschäft mit kleinen Tischen voll Menschen mit großen Träumen. Künstler, kreative, Träumer sitzen hier, tippen auf Geräte, lesen in Bücher, schreiben auf Blöcke, den Kopf nur wenig über die gerade gekritzelten Buchstaben gehoben. Du passt so gar nicht in diese Gruppe, in diese Momentgemeinschaft. Du wartest nur. Du siehst nur hinaus. Und doch bist du das Zentrum dieser Gesellschaft des Augenblicks, ahnst es, weißt es vielleicht auch. Plötzlich wirkt alles kalt und isoliert, erfüllt von innerer Einsamkeit, wirkt, wie ein Gemälde von Gottfried Helnwein.
Ein von irgendwoher erschalltes Lachen bleibt schwebend in der Luft stehen, zieht nach, scheinbar ohne zu verklingen, das Klappern von Geschirr und das einander folgende Rattern und Röcheln von Kaffeemühle und -maschine verklingen gleichsam. Der Moment steht still, als dein Blick den meinigen in der spiegelnden Scheibe fängt. Just in jenem Moment spielt es keine Rolle, wer wir sind, woher wir kommen, was wir hier wollen, in diesem Café der kreativen Einsamkeit. Wir lächeln uns an. Senken unsere Blicke wieder. Ich versuche zu denken. Versage. Stehe auf und gehe. Gehe einfach los, gehe weiter, durch die unbekannten Straßen der mir fremd gewordenen Stadt, verlaufe mich absichtlich, um zu vergessen, woher ich gerade kam. Und doch schwebt dein Lächeln mir weiter durch den Kopf.
Das Café, ich finde es nie wieder, will es auch gar nicht mehr finden. Doch der Moment, er bliebt fest in mir verankert. Er bleibt uns Beiden, und in ihm, bleibst du mir.