Bye, Bye Café Göttlich: Ein Nachruf
Ich hatte das Göttlich nicht vorgestellt, als es die Bude noch gab, weil es sich nicht gelohnt hätte. Man stellte ja auch nicht Bouvier vor, dessen Nebeneingang direkt gegenüber lag. Wer in Bonn im Hauptgebäude studierte, kam unweigerlich irgendwann mal am Göttlich vorbei. Doch die Zeiten ändern sich. Bouvier ist bekanntlich für immer geschlossen, brachliegender Leerstand in der Bonner Innenstadt, und auch das Göttlich ist passé. Zeit für einen Nachruf.
Es war eine Art Wohnzimmer nicht nur für mich, semesterlang vergeudete ich dort sinnvoll Zeit mit Quatschen und Schreiben, oft auch sinnlos beim Erstellen von Hausarbeiten oder mit stupidem Lernen. Den schmalen, länglichen Gang an den weißen Glastüren, von denen der Holzlack abblätterte, säumten links eine Reihe Tische mit einer langen Holzbank, rechts eine Spiegelwand, an dem immer mindestens ein Element einen Sprung hatte. Vermutlich sollte sie Größe vortäuschen und für Licht sorgen. Man musste stets mit eilig entgegenkommenden Bedienungen und trödelnden Gästen rechnen. Denn das Göttlich war auf der Fürstenstraße das letzte Café, bei dem man nicht Schlange stehen musste für Getränke. Und überraschend gut waren die Kräfte, die vorbeischauten. Viele machten dies seit Jahren.
Das Göttlich, es hatte immer einen verlebten Flair. Die Wandfarben, die Marmortische mit Macken, der auch lange nach dem Rauchverbot festklebende Hauch von Zigarettenrauch. Im Barbereich öffnete sich der Raum ein wenig. Kaum zu glauben, dass es auch Konzerte und Vernissagen dort stattfanden.
Draußen saß man auf bourdeauxfarbenden und grauen Gardenaplastikstühlen, im Winter gab es rote Decken zum Schutz gegen die Kälte. Es gab Frühstück nach Wunsch, wer später kam, musste mit belegten geviertelten frischen Fladenbroten Vorlieb nehmen.
Abends wichen die weißen Milchkaffeeschalen Bier- und Cocktailgläsern, dann wurde aus dem Café ein Treffpunkt mit einem für Bonn sehr mondänen Hauch in der Innenstadt. Das Göttlich am Abend, es hätte auch in Berlin stehen können. Ein bisschen wenigstens.
Dem technischen Fortschritt verweigerte man sich konsequent. Wer WLAN suchte, sollte woanders hingehen. Man wollte keine Gäste, die stundenlang an einem Milchkaffee nippen und dabei arbeiten und surfen. Hier sollte man miteinander reden, nicht schweigen. Es gab ein kommen, treffen und gehen, wirklich leer war es nicht.
Die einzigen zugänglichen Steckdosen im Laden fanden sich in Türnähe, waren bei Kennern umkämpft. Im Winter bollerte dort eine altertümlich aussehende Elektroheizung machtlos der einströmenden Kälte entgegen.
Das Publikum war keineswegs homogen, auch Mütter mit Kinderwägen, vom Shopping gezeichnete Mädelspaare und Bonn-Besucher fanden hier ein Päuschen.
Ruhig war es selten zur Mittagszeit. Das Schnattern der Gäste sorgte für einen hohen Lärmpegel, die Musik war immer etwas zu laut. Oft schien man über Monate nur eine CD im Player zu haben, die dann auch noch sprang und einen leichten Schubser brauchte. All das verzieh man dem Göttlich, passte es doch zum Rest des Ladens.
Es war schon irgendwie urig, das Göttlich. Bald soll man dort stattdessen Klamotten kaufen können. So ist das mit Revolutionen.
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